Übersicht über rechte Vergangenheiten der Identitären

vom 13.10.2018

In einer Vielzahl antifaschistischer Outings wurde festgehalten, dass Kader der Identitären in der Vergangenheit in Strukturen der NPD, der Autonomen Nationalisten, der Freien Kameradschaften oder völkischer Bünde aktiv waren. Die Gruppe Komplott-Kompott sprach in ihrem Outing des NS-Rappers Patrick Uli Bass (alias Komplott) von “eine[r] für einen Identitären prototypische Biografie, welche sich meist durch eine Vergangenheit bei den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) oder einer Struktur der „Autonomen Nationalisten“ (AN), oft mit anschließender Betätigung in einer Burschenschaft, auszeichnet. ”

Entweder sprechen die Kader der Identitären von “Jugendsünden” oder davon, dass sie sich erst im Zuge der ersten Pegida-Demos politisiert hätten. Die schiere Zahl der Kader mit einschlägiger Vergangenheit, zeigt aber, dass es sich häufig um Personen handelt, die in anderen rechten Organisationen oder in der Familie politisch sozialisiert wurden. Im Harz und in Ostholstein sind ganze zuvor existierende Nazigruppen zu den Identitären übergelaufen.

Die folgende Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, nicht-berücksichtigte Outings bitte ich mir via Twitter oder in den Kommentaren dieses Blogs zukommen zulassen.

In den meisten Fällen sind die Personen, bei denen eine Burschenschaft genannt ist, noch in dieser aktiv. Ich habe mich trotzdem entschieden die Burschenschaften aufzunehmen, da in den meisten Fällen das Engagement zeitlich vor der Beteiligung bei den Identitären begann.

Baden-Württemberg

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Patrick Uli “Komplott” Bass Heidelberg Neonazistische AG Schwaben, Nazi-Rapper „subverziv“, Burschenschaft Germania Marburg lsa-rechtsaussen.net
Sven Engeser Tübingen Autonome Nationalisten („Infoportal Schwaben“) Tübingen Rechtsaußen

Bayern

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Arndt Novak München Burschenschaft Danubia München, Pegida München, Jugendmut (gemeinsam mit Neonazi Lukas Bals) Wahljahr 2017

Berlin

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle

Brandenburg

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Sinja Golibersuch Cottbus Vater: FAP, NPD Twitter, AIB

Bremen

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle

Hamburg

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Friedrich Wilhelm Schmutzler Hamburg Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg (gegründet durch Vater), Mutter: HDJ, Abonnent des NPD-Newsletters Studiert in Rostock EXIF-Recherche
Martin Baron Hamburg Teilnahme an NPD-Veranstaltungen, Besuch min. eines bekannten Neonazis EXIF-Recherche
Arne Mörig Hamburg Vater: Bundesführer BHJ (Bund Heimattreue Jugend), HDJ EXIF-Recherche
Wiebke Mörig Hamburg (siehe Arne Möring) EXIF-Recherche
Hildburg Meyer-Sande Hamburg Teilnahme an zahlreichen HDJ-Lagern, Familie sehr aktiv in HDJ, im Email-Verteiler der JN, Teilnahme am Frebuar-Naziaufmarsch 2010 in Dresden EXIF-Recherche
Sönke Bork Kreis Pinneberg (aktiv in HH) Neonazikameradschaft Jugend für Pinneberg EXIF-Recherche
Simon Bork Kreis Pinneberg (aktiv in HH) Neonazikameradschaft Jugend für Pinneberg EXIF-Recherche
Alexander Jäger Kreis Pinneberg (aktiv in HH) NPD EXIF-Recherche
Hans Boy Dunker Hamburg HBG, Schutzstruktur des völkischen Sturmvogel-Lagers 2016 EXIF-Recherche
Jan-Phillip Tadsen Hamburg Kontakte zur NPD EXIF-Recherche
Thomas “Togger” Gardlo Hamburg ehemaliger Personenschützer von Schill, FAP, Aktionsfront Nationaler Sozialisten, Beteiligung an Wehrsportübungen Kampfsporttrainer der Identitären, Absicherung von IB-Veranstaltungen EXIF-Recherche

Hessen

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle

Mecklenburg-Vorpommern

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Daniel Fiß Rostock Nationale Sozialisten Rostock, JN EXIF-Recherche
Hannes Krünägel Rostock MVGIDA (faktisch NPD) EXIF-Recherche
Thore Ragnar Teufel Rostock Burschenschaft Teutonia Kiel, Burschenschaft Redaria-Allemania EXIF-Recherche
Torsten Görke Neonazikameradschaft, JN wohnt auf Hof einer Familie aus Sturmvogel-Umfeld EXIF-Recherche

Niedersachsen

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Irmhild Sawallisch Teilnahme Sturmvogel-Lager EXIF-Recherche
Meinhold Sawallisch Kaltenkirchen Teilnahme Sturmvogel-Lager aktiv in Lübeck, Hamburg EXIF-Recherche
Gerlind Drescher Die Heimattreue Jugend (Vorläufer der HDJ), „Deutscher Mädelwanderbund“, Deutsche Gildenschaft EXIF-Recherche

Nordrhein-Westfalen

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Kreon Schweickhardt Remscheid ProDeutschland Indymedia

Rheinland-Pfalz

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle

Saarland

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle

Sachsen

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Alexander “Malenki” Kleine Leipzig neonazistische Lok Leipzig-Hooligangruppen IBsterWatch
Felix Koschkar Leipzig Burschenschaft Arminia Leipzig, Legida IBsterWatch
Tony Gerber Zwickau Schutzbund Deutschland, NPD, „Nationale Sozialisten Zwickau“, „Freies Netz“, Freundschaftliche und Organisatorische Verbindungen zum NSU-Unterstützer André Emminger täuscht Ausstieg vor Inventati
Martin Bader Dresden Autor für Blaue Narzisse, Einwanderungskritik (Felix Menzel), Burschenschaft Salamandria Dresden Indymedia
Jan Blechschmidt Dresden Teilnahme Februarnaziaufmarsch in Dresden Indymedia
Marco Hebestadt Dresden BüSo Indymedia
Michael Schäfer Dresden siehe Sachsen-Anhalt
Julian Monaco Dresden militante Kameradschaftsszene, JN, Burschenschaft Salamandria Dresden Indymedia

Sachsen-Anhalt

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Armin Dumböck Haale/Saale Familie soll im Umfeld von Freibund, Sturmvogel aktiv sein lsa-rechtsaussen.net
Mario Alexander Müller Halle/Saale Autonome Nationalisten, JN lsa-rechtsaussen.net
Philip Thaler Halle/Saale Freies Netz Süd, Halle-Leobener Burschenschaft Germania lsa-rechtsaussen.net
Martin Bissinger Halle/Saale III. Weg Schwaben genaue Rolle bei Identitären unklar lsa-rechtsaussen.net
Dorian Schubert Halle/Saale Freies Netz Lörrach, JN Lörrach lsa-rechtsaussen.net
Maximilian Stilling Halle/Saale Beteiligung an diversen Naziaufmärschen lsa-rechtsaussen.net
Simon Kaupert Haale/Saale Wügida, JN lsa-rechtsaussen.net
Michael Schäfer Harz JN, Halle-Leobener Burschenschaft Germania,
Wernigeröder Aktionsfront
lebt in Dresden lsa-rechtsaussen.net, Indymedia
Michele Kurth Harz JN HarzInfo
Michael Machner Harz JN Teilnahme an Aufmarsch von Die Rechte HarzInfo
Jenny Schreyer Harz JN HarzInfo
Oliver Stallmann Harz Wernigeröder Aktionsfront, JN HarzInfo
Emanuel Reuter Harz Wernigeröder Aktionsfront HarzInfo
Marc Kluge Harz JN, NPD, Selbstschutz Sachsen-Anhalt (SS-SA) HarzInfo
Patrick Harr Dessau Heimattreue Deutsche Jugend, Freies Netz Dessau Mitarbeiter von André Poggenburg lsa-rechtsaussen.net

Schleswig-Holstein

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Marcel Schark Landkreis Ostholstein Kameradschaftsszene Ostholstein Teilnahme an NPD-Aufmärschen EXIF-Recherche
Fabian Wittig Landkreis Ostholstein NPD seit 2016 nicht mehr öffentlich aktiv EXIF-Recherche
Ray Vogel Landkreis Ostholstein Kameradschaftsszene Ostholstein EXIF-Recherche

Thüringen

Name Ort Vorherige Organisation Sonstiges Quelle
Kevin Schulhauser Ronneburg NPD, Nationales Bildungswerk Ronneburg THrechtsaußen
Daniel Madalscheck Erfurt JN, NPD Indymedia

21.10.2018 Update Patrick Harr (Sachsen-Anhalt)

Warum die AfD wirksame Klimapolitik ablehnt – Erklärungsansätze

vom 16.09.2018

Dieser Text ist keine fachliche Abhandlung, sondern viel mehr eine Art Anregung und/oder Diskussionsbeitrag. Er basiert im Wesentlichen auf einem Twitterthread vom 4. August 2018 und den Anregungen, die ich danach noch bekommen habe. Sollte ich etwas übersehen haben, freue ich mich über hinweise.

Der Sommer 2018 war durch eine langanhaltende Dürreperiode geprägt, zusammen mit einer vergleichsweise kurzen Hitzewelle (Hitze und Dürre können sich gegenseitig verstärken, aber das führt an dieser Stelle deutlich zu weit) wurde medial der Themenkomplex “Klimawandel und Klimapolitik” stärker beachtet, als zuvor. Berechnungen des World Weather Attribution Projects haben ergeben, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Hitzewelle/Dürre durch die globale Erwärmung erhöht wurde. [1]

Vergleicht man das im Frühjahr 2016 beschlossen Grundsatzprogramm der AfD und die Grundsatzprogramme der anderen Bundestagsparteien (CDU, CSU, SPD, FDP, Linke, B90/Grüne), wie beispielsweise auf der Website klimafakten.de, so fällt auf, dass die AfD als einzige Partei Aussagen trifft, die im Wiederspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. [2]

Es gibt mehrere Ansätze, die erklären könnten, warum die AfD als einzige Bundestagspartei wissenschaftliche Erkenntnis hier ablehnt. Ich teile diese Gründe, zugegeben willkürlich, in strukturelle und strategische Gründe ein. Mit strukturellen Gründen, meine ich Gründe, die sich aus den Hauptströmungen innerhalb der AfD ergeben. Nicht erst mit dem Wahlsieg von Trump nutzt die AfD auch Strategien und Taktiken der US-Republikaner, insbesondere der sogenannten Tea Party. Diese Gründe fasse ich unter strategischen Gründen zusammen. Die Abgrenzung ist nicht immer ganz eindeutig und dient viel mehr der besseren Gliederung des Textes.

Strukturelle Gründe

Der Soziologe Andreas Kemper identifiziert drei ideologische Strömungen innerhalb der AfD [3]:

In der AfD gibt es Sollbruchstellen. Ideologisch setzt sich die AfD aus drei Strömungen zusammen, deren Gemeinsamkeit in der Betonung einer vermeintlich natürlichen Ungleichheit gesellschaftlicher Gruppen besteht:

  • neoliberale Strömung: genetisch-vererbliche Ungleichheit zwischen Arm und Reich
  • christlich-fundamentalistische Strömung: gottgegebene Ungleichheit zwischen Hausfrau und Familienernährer
  • national-völkische Strömung: organisch-völkische Ungleichheit zwischen „Bio-Deutschen“ und anderen bzw. zwischen den „Großrassen“

Kemper führt weiter aus, dass die Einteilung noch verhältnismäßig grob ist und gerade beim Verständnis des Wegbrechens des transatlantisch-neoliberalen Lucke-Teils der AfD einer Verfeinerung bedarf. Insbesondere ist seit der Parteigründung der national-völkische Flügel stärker auf dem Vormarsch. Im Rahmen meiner Erklärungsansätze zur Klimapolitik reicht diese Einteilung jedoch aus.

 Die neoliberale Strömung

Betrachtet man wie Naomi Oreskes und Eric M. Conway in ihrem Buch “Merchants of Doubt” [4] die Netzwerke, die in den USA Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Klimawandels sähen wollen, so ist die Gemeinsamkeit die Ablehung von Regulierung. In großem Detail wird durch die Autor_innen aufgezeigt, dass bestimmte Wirtschaftsbranchen seit einigen Jahrzehnten in den USA ein Netzwerk von Thinktanks aufgebaut haben, deren Ziel es ist behördliche Einschränkungen zum Schutz von Umwelt und Gesundheit zu verhindern, in dem die dahinter liegende wissenschaftliche Forschung angegriffen und diskreditiert wird. Die verschiedenen Techniken und Strategien dieser Thinktanks wurden erdacht und perfektioniert im Zusammenhang mit Saurem Regen, dem Ozonloch, Passivrauchen und dem Pestizid DDT. Bereits seit den 90er Jahren finden diese Strategien Anwendung im Kampf gegen eine wirksame Klimapolitik. Ich kann es nicht belegen, jedoch erscheint es mir schlüssig, dass die neoliberale Strömung der AfD, der ich Meuthen, Weidel und von Storch zurechne, ein Interesse daran hat staatliche Regulierung, also Eingriffe in ein quasi heiliges Marktgefüge, zu verhindern. Folgt man der Argumentation Noami Kleins in ihrem Buch “Die Entscheidung – Kapitalismus vs. Klima” [5], dann gibt es einen fundamentalen Gegensatz zwischen Klimaschutz und Kapitalismus. Laut Klein ist wirksame Klimapolitik, also eine Klimapolitik, die einen Temperaturansteig strikt begrenzt, strikt antikapitalistisch, nur hätten es Klimaschützer_innen im Gegensatz zu den Rechten (hier im Sinne des politischen Systems der USA und Kanadas) nicht erkannt. [6] Laut Klein ist es übrigens kein Zufall, dass der Höhepunkt des Neoliberalismus und das Scheitern einer internationalen Klimapolitik 1988/89 zusammenfallen. [7] Für Marktradikale, die ein kapitalistisches Wirtschaftssystem zwingend erhalten wollen, bleibt demnach nur eine Ablehnung einer wirksamen Klimapolitik.

Die christlich-fundamentalistische Strömung

Zwar ist diese Strömung nach Kempers Einschätzung dabei ihren Einfluss in der AfD zu verlieren, jedoch gibt es auch hier mögliche Erklärungsansätze. Mag eine christliche Rechte, verglichen mit den USA in Deutschland verhältnismäßig klein sein, so sollte nicht vergessen werden, dass sie wächst. [8] Christlich-fundamentalistische Gruppierungen sehen einerseits jegliches menschliches Schaffen als göttlichen Auftrag (siehe Genesis 1,28 “Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!”). Andererseits wäre die Feststellung, dass der Mensch als Spezies gravierend in eine göttliche Schöpfung eingreifen kann und sie dadaurch gefährdet geradezu gotteslästerlich. [9,10] Während Aktivitäten, die direkt zum Klimawandel beitragen, in dem bspw. Treibhausgase ausgestoßen werden, eine göttliche Legitimation haben, ist es Gotteslästerung die Folgen dieser Aktivitäten zu beschreiben. Diese Einstellung erleichtert es Klimapolitik als unnötig zu sehen. Zusätzlich gibt es einen großen Teil christlicher Fundamentalist_innen, die eine Apokalypse herbeisehnen, da danach das Reich Gottes kommt. Klimawandel wird dabei als Teil eines göttlichen Plans gesehen, die Apokalypse und damit das Reich Gottes herbeizuführen. [11] Ein Versuch die globale Erwärmung zu begrenzen, wäre in dieser Weltsicht der Versuch einen göttlichen Plan zu verhindern. Auch für die christlich-fundamentalistische Strömung innerhalb der AfD gibt es Gründe aus ihrer ideologischen Position heraus Klimapolitik abzulehnen.

Die national-völkische Strömung

Ein Argument, dem ich begegnet bin, besagt, dass es nationalistischen Gruppierungen unmöglich ist, mit Problemen, die internationale Koordination erfordern, umzugehen. Deshalb ist es einfacher solche Probleme zu ignorieren oder abzustreiten. Auch wenn dieses Argument geradezu bestechend scheint, kommt es mir ein bisschen zu einfach vor.

Der Blog der Unterzeichner_innen der Erfurter Resolution der AfD, die sich auch als “Der Flügel” bezeichnen, hat Andreas Kemper einen beachtenswerten Beitrag zum Thema “Peak Oil” entdeckt. Zur Ablehnung von klimapolitischen Maßnahmen gehört bei der AfD auch die Ablehnung des Erneubare-Energien-Gesetz. In einer Bundeswehrstudie von 2010 zu Peak Oil und sicherheitspolitischen Folgen wird diskutiert, dass eine sinkende Ölfördermenge und damit verbundene wirtschaftliche Probleme zu Stimmenzuwächsen nationalistischer Parteien führen können. Darüberhinaus sieht die Forschungsgruppe der Bundeswehr die Gefahr einer zunehmenden politischen Instabilität. In einem Aufsatz von Höcke unter dem Pseudonym Landolf Ladig wird politische Instabilität als Möglichkeit einer nationalsozialistischen Revolution gesehen. [12] Nun kann auch davon ausgegangen werden, dass zumindest einem Teil der Getreuen Höckes bewusst ist, dass ein ungebremster Temperaturanstieg ebenfalls zu Krisen führen wird und damit die politische Instabilität zunimmt. Diese Zunahme politischer Instabilität schafft dann mehr Möglichkeiten für rechte Umsturzversuche. Zumindest Teilen der nationalistisch-völkischen Strömung ist eine verschärfte Klimakrise eine gute Möglichkeit zum Umsturz. Hier wird die Ablehnung von wirksamer Klimapolitik eher von langfristigen strategischen Überlegungen getragen, als von ideologischen Überzeugungen.

Strategische Gründe

Mit dem Versuch Klimapolitik als ein linkes Thema zu zeichen, kann sich die AfD mit einer Ablehnung von Klimapolitik auch stärker von der politischen Linken absetzen. Michael Seemann identifizierte anhand der Verbreitung von Falsch- und Propagandameldungen bzw. der Richtigstellung dieser einen rechten “digitalen Stamm” [13]. Gerade für Personen aus dem (digitalen) Umfeld der AfD scheint die Abgrenzung nach links besonders wichtig zu sein. Im Zuge der Abgrenzung bekommt die Erzählung von einer moralisierenden linken Elite eine wichtige Rolle. Eindrückliches Beispiel außerhalb der AfD ist eine BILD-Kolumne des ehemaligen SPD-Politikers Heinz Buschkowsky (übrigens politischer “Ziehvater” der Bundesfamilienministerin Giffey) vom 1. August 2018. Buschkowsky versuchte den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Treibhausgasemission ins Lächerliche zu ziehen und warf “Ökos” vor zu moralisieren. Gerade in Buschkowskys Text scheint es darum zu gehen, den Leser_innen eine einfache Weltsicht zu bieten, die Einzelne aus der Verantwortung in einer komplexeren Welt entlässt. Doch nicht nur Alt-Bezirksbürgermeister aus der SPD nutzen diese Strategie, auch die AfD. Die AfD zeichnet ein Feindbild von abgehobenen linken Eliten, die durch Verbote den “kleinen Mann” gängeln und massregeln wollen. In diese Strategie fügt sich auch die AfD-Kampagne zur Bekämpfung von Dieselfahrverboten ein. Ebenso wie im Fall der Klimapolitik wird die dahinterliegende wissenschaftliche Forschung angegriffen. Vorbild der AfD ist hier die Tea Party in den USA und die sogenannte Alt Right. Die AfD versucht mit den von Trump gesetzten Themen und den verwendeten Strategien und Taktiken ihre Wahlergebnisse zu verbessern. Indem Klimapolitik zu einem Teil der culture wars, also als Teil der klar definierten Abgrenzungsthemen zwischen US-Rechten und US-Liberalen (wie Abtreibung, Waffenkontrolle, Rechte von nicht-heterosexuellen Menschen, usw. usf.), gemacht wird, wird eine neue Möglichkeit zur Abgrenzung geschaffen. Mit dem Ziel Umweltauflagen zu verhindern und damit die eigenen Geschäftsinteressen zu schützen, wurde die sogenannte Tea Party von den Koch-Brüdern finanziell gefördert. [14] In gewisser Weise ist die Forcierung dieser politischen Spaltung in Sachen Klimapolitik wieder von neoliberaler Ideologie getrieben.

Während für einige AfD-Anhänger_innen gerade die Ablehnung alles irgendwie linken Kernpunkt der Ablehnung von wirksamer Klimapolitik ist, gehe ich davon aus, dass es sich für die AfD, wie auch für die US-Republikaner, eher um ein Mittel zur Stimmengewinnung handelt.

Fazit

Die verschiedenen Strömungen innerhalb der AfD haben verschiedene Gründe eine wirksame Klimapolitik abzulehnen. Die Ablehnung erfolgt entweder aus ideologischen Gründen oder aus strategischen Erwägungen. Im Fall des völkisch-nationalistischen Teils der AfD kann davon ausgegangen werden, dass zumindest einigen Mitgliedern eine politische Destabilisierung durch den Klimawandel ganz recht ist, um einen Umsturz herbeizuführen. Außerdem versucht die AfD die Techniken der US-Rechten in Deutschland umzusetzen. In diesen Muster fallen die AfD-Kampagnen für Dieselfahrzeuge und auch die Äußerungen zum Schutz der Braunkohle. Immerhin lässt sich sagen, dass es momentan unwahrscheinlich ist, dass der Anti-Kohle-Protest für die AfD anschlußfähig ist. 

[1] https://www.worldweatherattribution.org/attribution-of-the-2018-heat-in-northern-europe/

[2] https://www.klimafakten.de/meldung/was-sagt-die-afd-zum-klimawandel-was-sagen-andere-parteien-und-was-ist-der-stand-der

[3] https://andreaskemper.org/2017/11/25/was-tun-gegen-die-afd/

[4] https://www.merchantsofdoubt.org/ (auf Deutsch als “Machiavellis der Wissenschaft” erschienen)

[5] https://www.fischerverlage.de/buch/naomi_klein_die_entscheidung/9783596031351

[6] So spannend die Frage auch sein mag, hier sprengt sie den Rahmen. Mögen das kompetentere Leute als ich diskutieren.

[7] https://theintercept.com/2018/08/03/climate-change-new-york-times-magazine/

[8] https://www.heise.de/tp/features/Streng-glaeubig-und-stramm-rechts-4003112.html?seite=all

[9] https://www.theguardian.com/environment/blog/2009/apr/17/climate-change-religion

[10] https://www.washingtonpost.com/posteverything/wp/2017/06/02/why-dont-christian-conservatives-worry-about-climate-change-god/?noredirect=on&utm_term=.108c201d4791

[11] https://www.vice.com/en_us/article/qv4w8b/christian-fundamentalists-are-fueling-climate-change-denialism

[12] https://andreaskemper.org/2016/03/02/afd-peak-oil-und-voelkisch-nationale-revolution/

[13] http://www.ctrl-verlust.net/digitaler-tribalismus-und-fake-news/

[14] https://www.nytimes.com/2018/07/31/us/politics/trump-koch-brothers.html

Rechte Pflegerevolution – Perspektive zum rechten Frauen- und Bikermarsch

vom 25.07.2018

Am 29.7.2018 möchte in Leipzig ein rechtes “Frauenbündnis” zusammen mit irgendwelchen Bikern demonstrieren. Das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” hat für 13:30 Uhr eine Kundgebung unter dem Motto “Feminismus oder Schlägerei” als Anlaufpunkt angemeldet.
Auf Facebook zeichnet sich ab, dass die Orga zumindest teilweise identisch mit der Orga um die rechte Tarnveranstaltung “Pflegerevolution” im Oktober 2016 war.
Die Initiatorin der rechten Pflegedemo Gitte Kalder kündigte weitere Demos an. Ich verfasste eine kleinen Text zur Einordnung, den ich schnell veröffentlichen könnte, im Fall einer weiteren Demo. Um die Kontinuitäten, rechter Pseudotarnorgas in Leipzig zu illustrieren, veröffentliche ich an dieser Stelle den kleinen Infotext mit Stand vom Oktober 2016, ergänzt um Beobachtungen von Schubél im September 2017.

Pflegerevolution

Am 7. Oktober 2016 fand eine erste Kundgebung der Gruppierung „Pflegerevolution“ statt. Diese Kundgebung widmete sich den schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege.
Bereits im Vorfeld deute sich an, dass es sich bei dieser Gruppierung um eine rechte Tarnorganisation (Tarnung, wie in „Bürgerinitiative Ausländerstopp“) handelt:
Die Seite verzeichnete eine hohe Zahl von Likes von Personen aus dem direkten Umfeld der *GIDA-Bewegung bzw. von Personen, die häufig mit rechten Seiten interagieren.
Die Veranstaltungszusagen/Interessensbekundungen eine Woche vor der Kundgebung waren ebenso eindeutig.
Die Veranstaltung wurde mit als erstes von Madeleine Feige (AfD, „Wellenlängen“-Bewegung), Patrick Filz (Vorstand Legida e.V.) und der „Heidenauer Wellenlänge“ beworben.
Die angebliche Initiatorin Gitte Kalder gab der rassistischen Seite „Frauenpanorama“ ein Interview und entstammt ausweislich ihrer Facebooklikes dem Umfeld von Legida.

Am Tag der Veranstaltung wurden die Bezüge deutlicher: Anwesende Antifaschist_innen schätzten von den 20-30 anwesenden Personen, die Hälfte zur *GIDA-Klientel gehörig ein. Die Auflagen der Kundgebung wurden durch den Legida-Redner und Anführer von GIDA-Regional, Thomas Festerling verlesen. Erste Rednerin war Gitte Kalder, die die Teilnehmenden willkommen hieß und die Situation im Pflegebereich kritisierte. Inhaltlich hätte diese Rede auch auf einer Gewerkschaftskundgebung gehalten werden können. Der nächste Redner versuchte in seiner Rede das im *GIDA-Kontext so beliebte Narrativ des „Wir hier unten, gegen die da oben“ auf das Gesundheitswesen anzuwenden. Die dritte Rednerin war Uta Nürnberger. Nürnberger ist nach eigener Aussage Mitglied der AfD und Mitbegründerin der Patriotischen Plattform Sachsen und tritt als Rednerin bei Versammlungen des neonazistischen Netzwerks „Wir lieben Sachsen/Thügida“ auf. In ihrer Rede versuchte sie Geflüchtete und Geringverdienende gegeneinander auszuspielen.
Während der Reden wurden unter anderem durch OfD-Heidi und eine weitere Frau, die gemeinsam mit OfD-Heidi das Brückenfest 2.0 störte, Flyer verteilt. Das Video von Nürnbergers Rede wurde übrigens unter anderem von „Wir lieben Sachsen/Thügida“ veröffentlicht.

Nachtrag (September 2017):
Der von mir geschätzte Schubél konnte mit der Initiatorin der “Pflegerevolution” auf einer seiner Legidabeobachtungen sprechen, die Aussagen bieten, recht wichtigen Kontext.

Die Menge setzt sich in Bewegung. Ausschwenken. Sammeln. Man will massiv erscheinen, schließlich marschiert hier der Volkswille. Ich unterhalte mich mit einer entfernten Bekannten. Habe sie schon öfter bei LEGIDA gesehen. Sie erzählt mir, dass sie selbst eine Demo plant, gegen den Pflegenotstand. Ihr Traum ist es, zur Hauptverkehrszeit eine Kreuzung in der Innenstadt zu blockieren, damit jeder sieht, dass die Räder tatsächlich still stehen, wenn es starke Arme wollen. Sie habe auch schon einmal eine Veranstaltung gemacht, wenig besucht, aber immerhin. »Und der Thomas hat mir dabei geholfen«, schließt sie ihre Begründung, weshalb sie heute hier ist. Der Thomas ist der LEGIDA-Organisator. Befürchtungen, dass der Ruf LEGIDAs ihr Anliegen womöglich einen Impuls verleiht, den sie nicht haben will, verfangen wenig. »Als ich dass das letzte Mal gemacht hab, waren sogar Leute von der AntiFa hinterher bei mir und haben gesagt, dass das ok war. Und der Thomas, der kennt sich aus. Mit den Ämtern, der Polizei und so weiter. Und der hat mir sogar meine Internetseite gemacht!«. Stolz zeigt sie mir ihre Facebook-Präsenz.

Zu Uta Nürnberger:

Naziconnections der AfD Leipzig: Uta Nürnberger


https://twitter.com/Nein_zur_AFD/status/757235292948598784

Zu Thomas Festerling:
http://www.lvz.de/Specials/Themenspecials/Legida-und-Proteste/Legida/Ruhige-Lage-Weniger-Polizisten-sichern-Legida-Demo-ab

Rechter Protest in Görlitz


http://www.mz-web.de/dessau-rosslau/widerstand-gegen-gida-demonstration-geplanter-spaziergang-in-dessau-wird-geblockt-22717544
https://www.tag24.de/nachrichten/pegida-legida-und-cegida-in-sachsen-4886

Zu Madeleine Feige:
http://www.sz-online.de/sachsen/bewegung-am-rechten-rand-3484754.html
http://www.lvz.de/Specials/Themenspecials/Legida-und-Proteste/Legida/Erneut-wenig-Teilnehmer-bei-Legida-in-Leipzig-kein-Rundgang

Rechte auf der Leipziger Buchmesse – und nun?

vom 24.03.2018

Weil die Debatte zur Leipziger Buchmesse zumindest im Leipziger Linkstwitter teilweise völlig eskaliert ist, gebe ich auch meinen Senf zum Thema dazu.

Bevor es richtig losgeht ein Disclaimer: Ich war nicht in Leipzig auf der Buchmesse, ich war auf keinem der eventuellen Vorbereitungsplena, ich kenne den Aktionskonsens nicht und ich habe auch keine Ahnung welche Absprachen getroffen wurden. Ich habe allerdings die Texte dazu verfolgt, die teilweise entglittene Twitterdebatte, den Livestream von “Reconquista Germania” und die Selbstdarstellung der Identitären insbesondere auf Instagram.

Auch mit Blick auf die Frankfurter Buchmesse 2017 lassen sich zwei Thesen aufstellen:
i) Wenn Antifaschist_innen bei den quasiöffentlichen Lesungen aus dem Dunstkreis der Neuen Rechten intervenieren und eine Unterbrechung oder gar einen Abbruch der Veranstaltungen erzwingen, dann haben die Rechten gewonnen, denn das (konservative) Feuillton empfindet den vermeintlichen Übertritt der Umgangsformen durch linke als schwerwiegend, als die im manierlichen Ton vorgetragene Hetze eines Götz Kubitschek.
ii) Wenn Antifaschist_innen nicht intervenieren oder nicht deutlich genug intervenieren, dann nehmen sich die Rechten die Räume, die ihnen faktisch überlassen werden (frei nach der taz) und haben damit gewonnen (und sind ein Stück normaler geworden). Im Ansatz konnte das auf der Leipziger Buchmesse 2018 beobachtet werden, wie Rechte offensiv versuchen Angsträume zu errichten.

Egal, was getan wird, die Rechten scheinen gewonnen zu haben.

Persönlich erstaunt mich, wie teilweise die Gewaltanwendung ausgeblendet wird: Auf der Frankfurter Buchmesse wurde der Verleger vom trikont-Verlag am Stand der Jungen Freiheit niedergeschlagen. In Leipzig gab es eine Vielzahl Übergriffe. Am prominentesten dürfte der gewaltsame Rausschmiss von Personen, die bei einer Antaios-Veranstaltung ein Banner entrollen wollten sein. Auch wenn das Entrollen von Bannern den Vorstellungen eines intellektuellen Diskurses im Rahmen einer Buchmesse nicht entsprechen mag, der gewaltsame Rauswurf wird hingenommen.
In geschlossenen Accounts feiern Kader der AfD und ihre Gewaltanwendung bei einer “Verteidigung” des Antaios-Standes. Auf einem Account, der einem bekanntem Identitären aus dem Raum Halle-Leipzig zugeordnet werden kann, wird ein Video gepostet, aus dem hervorgeht, dass eine Frau von den Identitären mehrfach gezielt belästigt wird. Ich gehe davon aus, dass es noch erheblich mehr Übergriffe gab.

Bemerkenswert ist es, dass Götz Kubitschek und Ellen Schenke (alias “Kositza”) eine Eskalation herbeisehnten und wohl auch versuchten zu provozieren. Gerade im Nachgang der Frankfurter Buchmesse 2017 und auch im Nachgang an die öffentlichen Lügen des eher überschätzten Autors Udo Tellkamp hat sich gezeigt, wie sehr es Teilen der Konservativen schwerfällt sich nach rechts abzugrenzen. Diese fehlende Abgrenzung und die damit verbundene Legitimierung von Ideologien der Ungleichwertigkeit als “diskutabel”, zeigen auch, dass eine breite Ächtung von Antaios, Compact, Identitären etc. wie bei der NPD nicht zu erwarten sein wird. Die tatsächlichen Inhalte der Neuen Rechten sind gar nicht so verschieden (und je nach Definitionsgrundlage lässt sich auch die NPD seit ihrer Gründung zumindest als von der Neuen Rechten geprägt beschreiben) von Positionen, die zurecht geächtet werden. An der Glorifizierung der Vordenker des Faschismus, der Putschisten um Franco oder oder kann ich nichts erkennen, was eine intellektuell anregenden Debatte bereichern würde. Viel mehr sollten die Verbrechen des Faschismus Mahnung genug sein. An geplanten Massendeportationen (“Remigration” oder “Remove Kebab”) um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, gibt es nichts zu diskutieren. Im Fall der NPD wurden genau diese Ziele durch Steffen Kailitz als “Planung rassistisch motivierter Staatsverbrechen” beschrieben.

Ausgehend von den beiden Thesen und davon, dass die rechte Raumnahme mit Gewalt einhergeht ist klar, dass keine Intervention keine Lösung ist. An sich präsentieren die beiden Thesen einen kaum auflösbaren Widerspruch. In beiden Fällen haben die Rechten irgendwie gewonnen. Letztlich ist die Frage, für wie wichtig bestimmte Resultate gehalten werden. Was ist wichtiger: die breite Unterstützung bis ins bürgerliche Lager oder der Versuch Angsträume zu vermeiden? Die Gewichtung lässt sich sicherlich auch anders vornehmen.

“Eingleisig kommt man oft nicht voran
Deshalb sehen wir zu, dass wir zweigleisig fahrn”

Als Gedankenspiel: Vielleicht sollte die Buchmesse, konkreter die rechten Verlage, doch eher wie rechte Aufmärsche vom Stil “Legida” gesehen werden. Was ich damit sagen will? Der (von mir angenommene) Ansatz auf der Buchmesse 2018 erscheint sinnvoll: Inhaltliche Aktionen, die Kontrapunkte setzen, in relativer Nähe zu den rechten Verlagen. Gleichzeitig muss den Vertreter_innen der Neuen Rechten klargemacht werden, dass ihre Positionen nicht erwünscht sind. Transparente, Zwischenrufe, Sitzblockaden vor den Lesebühnen halte ich für prinzipiell gangbare Aktionsformen. Wie die Leipziger Buchmesse gezeigt hat, reichen Banner bereits aus damit die Maske fällt. (Deshalb an dieser Stelle schon mal ein Danke an alle Aktivist_innen, die in Leipzig ihre körperliche Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt haben, in dem sie nichts weiter taten als rufen oder Banner zeigen.) Zugegeben, die Maske ist schon oft genug gefallen, eigentlich dürfte es nicht mehr überrraschen, denn die Neue Rechte war nie ein intellektueller Debattierclub und die Gewalttätigkeit der Anhänger_innen ist eigentlich bekannt.
In der Auseinandersetzung müssten auch klar die Ergebnisse (antifaschistischer) Recherche thematisiert werden. Beispielsweise hat ein nicht unerheblicher Teil der Identitären und der AfD-Fraktionsmitarbeiter eine Vergangenheit in der organisierten Naziszene, in Teilen scheint “Vergangenheit” auch nur öffentliche Auftritte zu meinen, abseits der Öffentlichkeit scheint Alexander Kleine auch heute noch vor Hakenkreuzfahnen zu feiern. Mit Rechten reden bringt nur äußerst geringen Erkenntnisgewinn, über Rechte reden, bringt schon mehr. Was habe ich davon, wenn ich mir von Götz Kubitschek auf einem Podium erklären lasse, dass er den Umsturz plant?

Ich danke allen, die auf der Leipziger Buchmesse gegen die rechten Ideolog_innen aufgestanden sind. Denen die dabei Verletzungen davongetragen haben, wünsche ich gute Besserung.
Rassismus, Antisemitismus und weitere Ideologien der Ungleichwertigheit sollten keinen Platz auch der Buchmesse (oder sonst wo haben). An dieser Stelle möchte ich meine persönliche Überzeugung noch mal explizit nennen: Am erfolgversprechendsten erscheint mir die Kombination von inhaltlicher Auseinandersetzung in unmittelbarer Nähe zu den Rechten und die friedliche Intervention.

Weil ich die Debatte zum Umgang mit Rechten auf der Buchmesse recht spannend finde, werde ich versuchen andere Texte zum Thema hier zu verlinken:

Prisma – IL Leipzig
Der Wanderprophet
Antifaschistische Herzigkeit

Notizen zu Zentrum Automobil in Leipzig

vom 21.01.2018

Die Versuche von rechts aktive Gewerkschaftsarbeit zu schwächen bereiten mir persönlich immer mehr Sorgen, deshalb werden ich versuchen hier etwas Aufklärung zu der rechten Pseudogewerkschaft des Geldeintreibeprojekts „EinProzent“ zu betreiben. Der Fokus wird auf Leipzig (und Sachsen) liegen und ich versuche etwas neues: Kleinere Themenblöcke verfassen und nacheinander hier veröffentlichen, sobald ich etwas neues habe.

Zum Einstieg zur Pseudogewerkschaft: hier
Warum ich von einer Scheingewerkschaft spreche: hier

21. Januar 2018: Frank Neufert

Laut einem Artikel des Tagesspiegel vom 16. Januar 2018 wird Frank Neufert zur diesjährigen Betriebsratswahl im Leipziger BMW-Werk antreten. Das schreibt der Tagesspiegel:

Dort will Frank Neufert antreten. Der ist AfD-Lokalpolitiker. Seit kurz nach der Wende arbeitet er bei BMW, in einer Gewerkschaft war er nie. „Es gab Anwerbeversuche von der IG Metall. Aber die waren mir immer zu links. Da kann ich ja gleich in die SPD eintreten“, sagt er am Telefon. AfD-Mitglied ist er seit 2013, er steht dem „Flügel“ um Höcke nahe. Bei den Betriebsratswahlen trete er dennoch nicht als AfD-Mann an, das sei seine politische Meinung vor dem Werkstor. „Ich finde aber viel Unterstützung in der AfD. Das ist gewollt.“

Neufert steht nicht nur dem völkischem „Flügel“ nahe, sondern auch Personen, die mittlerweile der Patriotischen Plattform, in der sich Hans-Thomas Tillschneider und der IB-Kader Felix Koschkar tummeln, als zu „rechts“ gelten. Neufert gehört zum Umfeld des völkischen Leipziger Rechtsanwalts Roland Ulbrich. Teil der Gruppe um Ulbrich ist Uta Nürnberger, eine ehemalige Stadtratskandidatin der AfD Leipzig, deren AfD-Mitgliedschaft mittlerweile recht strittig zu sein scheint. Nürnberger tritt häufig mit der Faschoreisegruppe „Wir lieben Sachsen/Thügida“ um David Köckert und Alexander Kurth auf, die sich mittlerweile „Volksbewegung Thügida“ nennt. Ulbrich und Nürnberger waren auch im Gründungsvorstand der „Freiheitlich-patriotischen Alternative“ eine rechter AfD-Zussammenschluss, der die Zusammenarbeit mit Thügida forcieren wollte und Frauke Petry stürzen wollte. Bilder von Neufert zeigen ihn zusammen mit Roland Ulbrich bei den rechten Störaktionen zum Tag der deutschen Einheit in Dresden und als Träger eines Legidabanners.
Zusätzlich scheint Neufert in Sachsen einer der Vertreter der “Arbeiternehmer in der AfD” (AidA) zu sein.

Es bleibt als festzuhalten, dass einer der Betriebsratskandidaten der „IG Beruf und Familie“, wie sich die rechte Liste im Leipziger BMW-Werk nennt, gut vernetzt im Dunstkreis von AfD und weiteren organisierten Rechten ist.


Frank Neufert zusammen mit Roland Ulbrich bei rechter Störaktion

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Frank Neufert hinter dem Legidabanner, Quelle: Streetphoto


Frank Neufert und Uta Nürnberger im Austausch auf Neufert Facebookseite


Frank Neufert als AidA-Vertreter

EinProzent und die rechte Scheingewerkschaft

vom 14.11.2017

Im Rahmen der Compact-Konferenz, die am 25. November 2017 im Raum Leipzig stattfinden soll [1], soll nach Ankündigung des rechten Geldakquiseprojekts “EinProzent für unser Land” [2] eine “patriotische Gewerkschaft” gegründet werden.

Vordergründiges Ziel dieser Scheingewerkschaft ist der “Schutz von Patrioten”, so heißt es im “EinProzent”-Newsletter vom 13. November 2017:

Patrioten schützen Patrioten – auch am Arbeitsplatz! Jeder von uns hat
mittlerweile einen Freund oder Bekannten, der seine Arbeitsstelle aus
politischen Gründen verlor.

Patrioten schützen Patrioten

Liebe Unterstützer, Freunde und Förderer,

jeder von uns hat mittlerweile einen Freund oder Bekannten, der seine
Arbeitsstelle aus politischen Gründen verlor. Das Establishment hat
seine Denunzianten auch am Fließband, im Büro und der Werkstatt
untergebracht.

Unterszützung erählt “EinProzent” dabei von der Scheingewerkschaft “Zentrum Automobil e.V.” um den ehemaligen Rechtsrocksänger Oliver Hilburger.

An unserer Seite sind erfahrene Betriebsräte der alternativen
Gewerkschaft Zentrum Automobil e.V.
sowie weitere patriotische Interessenvertreter.
Seit 2011 vertreten etwa Oliver Hilburger und Christian Schickart die
Rechte der Arbeiter bei Daimler in Stuttgart. Sie kennen die Spielchen
der linken Gewerkschaften genau und stehen uns tapfer zur Seite.

Oliver Hillburger war Richter am Arbeitsgericht Stuttgart und Funktionär der “Christlichen Gewerkschaft Metall” (CGM), bis ihm seine Aktivität in der rechten Szene auf die Füße fiel. [3,4]
“Zentrum Automobil e.V.” versucht ziemlicher Heftigkeit den Verbrennungsmotor zu verteidigen und inszeniert sich als eine kämpferische Alternative zur IG Metall, der vorgeworfen wird, die Mitgliederinteressen verloren zu haben. So schreibt die “Betriebsgruppe Leipzig” auf Facebook:

Zentrum Automobil ist eine oppositionelle Interessenvertretung für die Arbeiter und Angestellten, vor allem gegen die Systemgewerkschaften. Wir haben deren folkloreartigen
” Tarifverhandlungen ” die maximal die Inflation ausgleicht (3% sind nach Steuer und Abgaben nur noch 1,5 Reallohn = Kaufkraft !) und dem heimlichen Sozialabbau durchschaut. Wir alten Hasen erinnern uns, an eine Deckungsgleichheit zu der Placebo Gewerkschaft [Pfeilemoticon] FDGB des DDR Regimes.
Die Betriebspolitik endet eben NICHT am Werkstor !

In einem weiteren Post schreibt die “Betriebsgruppe Leipzig”:

Jens Köhler, Betriebsratschef im BMW-WERK Leipzig:
„Wir haben bei uns keine Entgeltdiskussion unter den Kollegen. Die Entlohnung bei BMW in Ost und West ist gleich. Nur dass unsere Mitarbeiter für den gleichen Wochenlohn drei Stunden mehr schaffen müssen…..
Unglaublich [Pfeilemoticon] der Betriebsratsvorsitzende und IG Metall Funktionär kennt noch nicht einmal die Tariftabellen in der Firma, in welcher ihm die Beschäftigten zur Vertretung ihrer Interressen gewählt haben. Er hat keine Kenntnis von ca. 350 €/mon. Tarifunterschied (mittleres Einkommen)
zwischen Ost und West ! (Bei den Sonderzahlungen vergrößert sich die Differenz noch zusätzlich)
Bei dem Vergleich Ost gegen West ist natürlich der allgegenwärtige Sprachgebrauch zwischen den alten und neuen Bundesländern zu verstehen.
Irgendwelche zusätzlichen erfundene Trennlinien innerhalb Deutschlands sollen nur für Verwirrung beim Leser sorgen.
So produziert man letztendlich Fake News.

Wie aus den beiden Zitaten hervorgeht, inszeniert sich die rechte Scheingewerkschaft als Kämpferin für die Arbeitnehmer_innenrechte, während zu gleich der IG Metall vorgeworfen wird, diese zu vernachlässigen und gar gegen die Interessen der eigenen Mitglieder gegenüber dem Arbeitergeber ignoriert. Weitergehend wird der IG Metall unterstellt gemeinsam mit dem Arbeitgebern ein wirksames Eintreten für Arbeitnehmer_innenrechte zu unterbinden und die Belegschaft mit “Placebos” ruhigzustellen.

“Zentrum Automobil e.V.” dient “EinProzent” als Vorbild für die Gründung eines rechten Gewerkschaftsdachverbandes. Das rechte Geldakquiseprojekt stellt zunächst klar den politischen Charakter in den Vordergrund. Rechte sollen vor Kündigungen auf Grund von menschenverachtenden Aussagen geschützt werden:

„Ein Prozent“ wird die Arbeitsplätze von Patrioten schützen und die
Spielregeln grundlegend verändern! Auf unserem „Ein Prozent“-Blog haben
wir bereits vorgelegt: Unser Bürgernetzwerk wird nicht tatenlos zusehen,
wie Familienväter und Werktätige wegen kritischer Meinungen vor die Tür
gesetzt werden.

Bereits die Vorbereitungen zur kommenden Kampagne haben hohe Wellen
geschlagen: Uns erreichen jetzt besonders viele Anrufe und Nachrichten
von Patrioten, die ihre Arbeitsstelle aus politischen Gründen verloren
haben und nun nicht wissen, wie es weitergeht.

Im selben Absatz des Newsletters wird jedoch die Doppelstrategie von “EinProzent” deutlich, so heißt es:

Unternehmer fragen uns,
was sie gegen den aufgezwungenen politischen Einfluss der linken
Gewerkschaften tun können, die eine Gefahr für ihren Betrieb […] bedeuten.

“EinProzent” dient sich hiermit klar Arbeitgeber_innen an, in dem sie suggerieren ein Gegengewicht zu den bereits bestehenden Gewerkschaften bilden zu können und versprechen sich für die Belange der Arbeitgeber_innen einzusetzen. Kurzfristiges Ziel dieser Doppelstrategie dürfte es sein, möglichst viele Spenden zu generieren.

Das mittel- und langfristige Ziel wird jedoch auch deutlich: Gemeinsam mit frustrierten Arbeitgeber_innen halbwegs schlagkräftige Gewerkschaften (allen voran die DGB-Gewerkschaften, insbesondere ver.di) deutlich zu schwächen und durch einfacher zu lenkende Organisationen zu ersetzen. Die bereits existente rechte Scheingewerkschaft (an dieser Stelle sollte der Grund für diese Begriffsverwendung deutlich geworden sein) “Zentrum Automobil e.V.” gibt dabei die Stoßrichtung vor: Unter dem Deckmantel der effektivieren Vertretung der Arbeitnehmer_innenrechte sollen die bestehenden Gewerkschaften von zwei Richtungen unter Druck gesetzt werden: Von enttäuschten (Alt-)Mitgliedern und den Arbeitgeber_innen.

Eines der Ziele der Kampagne gegen die Gewerkschaften ist deutlich: Die politische Bildungsarbeit und der Einsatz gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit, der von den Gewerkschaften getragen bzw. unterstützt wird, empfindlich zu schwächen. Gerade in Ostdeutschland ist dieser Beitrag, den die Gewerkschaften leisten, besonders wichtig.

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Zur “Betriebsgruppe Leipzig” wird noch weitere Recherchearbeit erfolgen. Die Ausgabe des EinProzent-Newsletters wurde dankenswerterweise durch “Chronik gegen Rechts” zur Verfügung gestellt.

[1] https://www.nocompact.de/2017/11/pressemitteilung-14-november-aktionsbuendnis-nocompact-veroeffentlich-erste-informationen-zu-protesten-gegen-compact-konferenz-am-25-november/
[2] http://www.belltower.news/artikel/ein-prozent-f%C3%BCr-unser-land-%E2%80%93-ngo-der-neuen-rechten-11046
[3] https://autonome-antifa.org/?breve1116
[4] https://despora.de/posts/5685584

Beyond the Med – Some remarks on the Identiarian pirates

published 07/08/2017

While fishermen and trade union activists try to prevent the identitarian pirate ship from refuelling in Tunesia, it is time to try looking beyond the AIS data. This text is considered as a small contribution to unmasking the networks and strategies of the Identitarian pirates.

One of the most remarkable things of the pirate mission is the transnational collaboration: The mission itself was endorsed by members of various European far-right parties, such as the Belgian Vlaams Belang or David Duke a former KKK-leader. After the identitarians lost their PayPlal accounts for collecting money they switched to the US bounty collecting site weseachr [1]. This step alone illustrates who both the European Identiarians and the US „alt-right“ are influenced by each other. (This is further more illustrated by the excessive uses of „Pepe the Frog“ and „God Emporer Trump“ memes used by the Identitarians.)
Aside this mutual influence there is another connection, while there were reports the Identitarians are (partly) financed by the US „alt rights“ (IMHO not necessarily, since a German far-right group recently bought a house for 300,000€ and gave it to the identitarians [2]) the far-right activists got support by the Canadian self-proclaimed journalist Laura Southern. Southern made the initial kick-off in the Mediterranean in May possible by imposing another journalist and obtaining information on the departure of an humanitarian vessel. Southern had previously shown strong admiration for the Identitarians [3]. (There are further interessting points to make on the networks between US and EU far-right activists, but for the sake of my time, I’ll leave those to someone elses texts.

While in various media coverages the nationalities of some far-right activists (German, French, Austrian, Italian) [e.g. 4], nobody (to my knowledge) reported on Czech activists involved in the pirate mission.

The key group of the German Identitarians is called Kontrakultur and is based in the East German city of Halle. As antifascists showed [2] this group maintains strong connections to Ukrainian fascists and Czech and French Identitarians (not to speakt of the strong connections to Austria). Some members of Kontrakultur Halle were holding presentations in Prague at the end of May 2017. Therefore, it is plausible, that they recruited the Czechs taking part in the pirate mission. As in other Central and Eastern European countries the Identitarians are not as strong as their Western European counterparts. The suggestion by the British antiracist group „Hope not Hate“ of possible armed Ukrainian mercenaries aboard the pirate ship [5] had therefore to be taken extremely serious, since the Kontrakultur Halle has (as mentioned above) close ties with the Ukrainian fascists of Azov/Asow.
The Halle-based group is represented by its member Simon Kaupert. Kaupert is conducting „research“ for the German far-right network „Ein Prozent für unser Land“. Said network tries to organise far-right protests throughout Germany and supports the far-right protesters with money and legal aid. For some time „Revolte auf Beton“ a group hailing fascism was part of the network of „Ein Prozent für unser Land“ [6]. On Twitter Kaupert, who led a Pegida-branch in Southern Germany, calls himself „Simon Wald“ as a hommage to Ernst Jünger’s essay „Der Waldgang“. Said essay appears to be some kind of „holy book“ for the German-speaking Identitarians. The research conducted by Kaupert basically shows, that there are people in European port he doesn’t perceive as European. (Who would have thought that. I’m still waiting for him to find out one the the following truths: „Water is wet“ and „The air temperature at night is usually lower, than during the day.“ [Sorry for this sarcsm.]).

At least the Identitarian groups in Bavaria (IB Bayern) and in Swabia (IB Schwaben) tried to use the attention generated by their comrades in the Mediterrean to push their (actually anti-semitic) conspiracy theory of a „Great Replacement“.

In German neo-Nazi circles the pirate mission strengthens the image of the Identitarians as a group actually does something. (Although the multiple drawbacks at the Suez Canal and on Cyprus have damaged this image.)

Nevertheless, „Defend Europe“ illustrates the transnational networks maintained by the Identitarians and it appears that groups not on board of the pirate vessel are trying the push the narrative of a „Replacement“.

If you know some German or are willing to use Google Translate, I strongly recommand follwing @MenschMerz on Twitter for analyses of the German and Austrian Identitarians.

[1] http://nymag.com/selectall/2017/05/chuck-johnsons-wesearchr-is-having-a-bit-of-a-meltdown.html
[2] https://lsa-rechtsaussen.net/ein-identitaeres-haus-fuer-die-kontrakultur-halle/
[3] https://matrochka.wordpress.com/2017/07/17/die-journalistischen-nachwehen-des-g20-gipfels/
[4] http://www.heraldsun.com/news/nation-world/article164216057.html
[5] http://hopenothate.org.uk/2017/07/19/defend-europe-ship-armed-guards-board/
[6] http://purecoincidence.blogsport.de/2017/01/16/rechte-netzwerke-am-beispiel-von-revolte-auf-beton/

The Identitarian Wannabe-Pirates

published 26/06/2017

With the possible aim to end the current stagnation [1] of the far-right Austrian identitarians, members of the French, Italian, Austrian and German branches of the group met in Sicily claiming the have blocked an humanitarian rescue vessel. (In fact their rubber dinghy was almost immediately confiscated by the local authorities.) After their „glorious“ mission the identitarians launched a campaign called „Defend Europe“, which aims at stopping refugees in the Mediterranean. At least the German speaking identitarian use anti-Semitic prejudices to mobilise the supporters of the Pegida-Movement and other far right groups.
Among the far-right activists in Sicily were Martin Sellner (head of the Austrian identitarians), his brother Thomas Sellner and Luca Kerbl (head of the identiarians Styria). The German identitarians were among others represented by Mario Alexander Müller. Müller heads the most active branch of the German identitarians, called Kontrakultur Halle. Besides being convicted for assault and battery, Müller shows strong ties to the Ukrainian fascists of Azow. [2] The group of Europeans was supported by the Canadian „journalist“ Laura Southern.
The campaign’s aim is allegedly to raise money for a far-right pirate mission. I personally define it as a pirate mission, since the explicitly stated goals (interfering with ongoing rescue missions, blocking other vessels, deporting accidentally „saved“ refugees to North Africa) constitute a breach of international maritime law. A short primer in international maritime law with focus on rescue missions for refugees can be found in [3].
After the fundraising campaign on kickstarter failed, due to violation of the platforms policy, a combined effort of German antiracist and antifascist groups and persons affiliated with the Sleeping Giants Movement persuaded PayPal and the banks used by the identitarians to terminate the contracts. On Saturday, 25 June 2017, the identitarians announced the use of bitcoins for donations. Caused by the lack of technological understanding of the target group the amount of donations was below the expectations. Therefore, the far-right activists switched to the crowd-funding platform wesearchr, which has ties to US far-right groups and promotes the spread of propaganda. [4]

On 26 June the Austrian identitarians claimed to have obtained a boat suitable for their pirate-style operations near the Libyan coast. Said video was recorded on 18 June in Berlin, the day after their march in Berlin, which was advertised in several European countries, failed. Currently there is no proof that is vessel actually exists. There are several indications, that the whole campaign is in fact a scam to enrich a couple of far-right activists like Martin Sellner.

At first they claimed to need 50,000€ a ridiculously low amount of money to conduct their whole mission. After claiming to have obtained a ship, they want to raise additional 80,000 US-$ on wesearchr for equipment and fuel. Without considering potential losses due to closed accounts the identitarians’ claims of money raised amount to roughly 90,000€ (own estimates).
At least to activists monitoring the identitarians in Austria and Germany this sounds familiar: Sellner previously announced an app for racists called „Patriot Peer“ [1,5]. An unknown amount of money was collected to finance the app. But for months there were no further comments on the current status. It has to be suspected that the leadership of the identitarians scammed their own supporters.

Even if the identitarians do something at the Mediterranean some pictures taken on board a chartered vessel or even dinghy will most likely be the only remains of „Defend Europe“.

Last but not least: Apparently the whole campaign attracts other people to join the identitarians. At least one former German navy soldier volunteered for this pirate-style mission. Said former soldier expresses his sympathies for different far-right groups, including the openly fascist network “Revolte auf Beton” [6], the unconstitutional german political party NPD and the identitarians (especially their most aggressive German branch Kontrakultur Halle).

tl;dr: The identitarian pirate-style mission “Defend Europe” is quite likely to be a scam.

Im „rechten“ Facebook – Ein Erlebnisbericht

vom 25.06.2017

Nach der US-Präsidentschaftswahl war sie ja in aller Munde: Die Filterblase auf Facebook. Nicht aus journalistischer Neugierde sondern aus aktivistischer Faulheit (und Selbstschutz) bin ich in diese Filterblase eingetaucht. Im folgenden beschreibe ich lose meine Eindrücke und Beobachtungen, ohne allerdings eine Sammlung von Belegen zu präsentieren.

Was mir zuerst auffiel: Das „rechte“ Facebook ist eine, in meinen Augen krude Mischung aus gezielter Hetze, Verschwörungen, Werbung für Kleinunternehmen, aufreizenden Darstellungen gerade noch bekleideter Frauen und Single-Börse.

Posts einer Handvoll „etablierterer Akteur_innen“ wie Pegida, die Identitären oder auch der ehemalige Blood-&-Honour-Kader und Hassunternehmer Sven Liebich werden besonders stark innerhalb dieses losen Netzwerks aus Privataccount und Gruppen weitergereicht. Auch die (nicht-nur) virtuellen Netzwerke rund um „Wir für Deutschland“ oder „Wir lieben Sachsen/Thügida“ (mittlerweile Volksbewegung [hier Bundesland einsetzen]) sind in gewissen Maße beeindruckend. Zumindest im Fall von WLS/T scheinen Aktionen hauptsächlich für den Facebooklivestream stattzufinden. Aber zurück zu den Facebookeindrücken: Neben den etablierteren Accounts, die etliche Posts am Tag bringen und damit ihre Hetze verbreiten, gibt es auch kleinere Privataccounts, die mit mehreren Hundert Facebookfreunden eine gewisse Reichweite haben und deren Hetze von außerhalb des „rechten“ Facebook kaum zu bemerken ist.

Neben plumper rassistischer Hetze, spielt nach meinem Eindruck Antisemitismus eine wichtige Rolle als ideologischer Kitt zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb der Facebook-Manifestation der radikalen Rechten. Bemerkenswert erscheint mir an dieser Stelle, dass auch für Personen aus dem Umfeld der NPD die Identitären als eine Art Hoffnungsträger stilisiert werden. Neben dem eigenem Antisemitismus der negiert wird, wird zum Teil wenige Stunden später vor antisemitischen Muslimen gewarnt.

Neben Merkel ist wenig überraschend Maas zum Feindbild im „rechten Facebook“ geworden. Als quasi-übermächtige Helfer von Maas wird die Amadeu-Antonio-Stiftung präsentiert. Das Level der Fanatisierung (und den grad der Abhängigkeit von Facebook) zeigt sich an Personen, die sich auf die Löschung ihres Accounts einstellen und sich als werdende Märtyrer inszenieren. Um die Löschung zu umgehen, wurde in meiner Timeline ernsthaft diskutiert exzessiv Sonderzeichen und willkürlich gesetzte Leerzeichen zu verwenden, da es die automatisierte Erfassung durch die AAS unterlaufen würde. Ironischer Weise wurde der stärkste Verfechter dieser Strategie wenige Tage später temporär gesperrt. Alle Jubeljahre gibts den Aufruf sich einen Account auf dem russischen Netzwerk VK einzurichten, was tatsächlich dann wieder versandet. Dadurch, dass etliche Personen nicht mehr öffentlich posten, sondern nur noch für die Facebookfreunde einsehbar, scheinen die Hemmungen zu fallen. Gewaltdarstellungen, rassistisch motivierte Gewaltaufrufe, NS-Symbolik, wie Hakenkreuze? Alles kein Problem, zum Teil auch nicht mal für den Facebooksupport. (Die Hakenkreuze wurden allerdings gelöscht.) Die Sperrungen von Seiten hat durchaus kurzfristige Erfolge, jedoch gibt es mittlerweile die Gegenstrategie vorsorglich Backupseiten einzurichten und dann Facebookfreunde vorsorglich einzuladen. Bei Sven Liebichs Seiten lässt sich das ja auch ganz gut beobachten: Öffentliche Aufrufe Halle Leaks X+1 zu liken und bekannter zu machen.

Auch bei der Entstehung von Propagandalügen (oder wie es manchmal gern genannt wird „Fake-News“) bietet das „rechte“ Facebook Anschauungsmaterial: Ein sachlicher Medienbericht zur Einführung des Digitalrundfunk DAB+ wurde sinngemäß kommentiert, dass sich die neuen Radios bei Ansprachen von Merkel automatisch anschalten würden. Daraufhin brach sich einiges an Hass Bahn, dass man bereits in einer Diktatur lebe und es sich um die neuen Volksempfänger handeln würde. Nur im Artikel selbst, auf den sich alle bezogen und der dann als Quelle herumgereicht wurde, stand dazu rein gar nichts. Zugegeben war es eine der einfacheren Übungen. Etliche Hetzkampagnen, die auf Lügen basieren wurden bereits an anderer Stelle enttarnt (an dieser Stelle: Danke an Mimikama und Hoaxmap für die Arbeit). Eine recht beliebte Spielart scheint noch das Muster zu sein Videos von Polizeieinsätzen zu teilen und sich dann zu echauffieren, dass Merkel an allem Schuld wäre. Allerdings ist mir persönlich entgangen, dass die Landespolizeien oder die Bundespolizei in Deutschland Rückenschilder mit der Aufschrift „POLICE“ tragen.
Tatsächlich nicht überraschend, weil schon viele andere berichteten, aber dennoch eindrücklich: Verschiedene Polizeimeldungen mit vermeintlich nicht-deutschen Tätern zirkulieren, so dass sich der Eindruck zu gestiegener Unsicherheit und Kriminalität sicherlich leicht verfestigen kann.

Dass bekanntere rechte Kader auf Facebook Vorlieben für leicht bekleidete junge Frauen zeigen, ist schon bekannt. Mir persönlich war neu, dass es diverse Gruppen gibt, die letztlich nur aus Bildern bestehen, die wohl gerade so noch den Facebookrichtlinien entsprechen. In die häufig geschlossenen Gruppen wurde mein Profil schneller hinzugefügt, als ich austreten konnte. Teilweise waren es wohlmeinende „Kameraden“, die „mich“ hinzufügten. Neben den explizit auf Erotik ausgerichteten Gruppen, gibt es rechte Singlebörsen. Mit deren genauer Etikette hab ich mich allerdings weniger befasst.

Einige Accounts innerhalb des „rechten“ Facebooks sind mit verschiedenen Seiten verbunden, denen irgendeine Geschäftsidee zu Grunde liegen scheint. Neben der Werbung für eigene Produkte, gibt es Einladungen zu Veranstaltungen auf dem Firmengelände (ok, es gab nur eine und es war eine Art Gebrauchtwagenhändler) und die Seite des Unternehmens liken. Sven Liebich ist an dieser Stelle nur die Spitze des Eisbergs. Etliche andere versuchen auch ihr Einkommen innerhalb der Filterbubble aufzubessern. Hierbei handelt es sich aber so gut wie nie um Hassunternehmer, wie eben Liebich, sondern um gefestigte Rassist_innen mit einem eher „gewöhnlichem“ Gewerbe, wie Gärtner, Autohändler, Schneiderinnen oder Videoverleihern.

Zurück zu den Gruppen: Häufig werden die rechten Facebookgruppen vom Stil WfD, Legida und wie sie alle heißen, durch einige wenige Leute bespielt: Admins und Kader, die ihre (anderen) Projekte bewerben wollen. Allerdings bin ich in diesen Gruppen auch auf Profile gestoßen, die der offen faschistischen Gruppierung „Revolte auf Beton“ zugerechnet werden können (ein ausführlicherer Artikel dazu findet sich im Blog). Innerhalb der Gruppen findet häufig ziemlich offen eine Vernetzung zur Bildung von Fahrgemeinschaften statt oder die Versuche eine Bürgerwehr zu gründen. (An dieser Stelle zeigt sich ganz eindeutig, dass viele Personen geographisch einfach zu weit verstreut leben, um nach Feierabend mit ihren Facebookfreunden noch Offline-Aktionen zu starten.)

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass das „rechte“ Facebook als eine Art Durchlauferhitzer fungiert, in dem neben allen Bizarrheiten wie exzessive Sonderzeichenverwendung und Singlebörsen klar Ideologien der Ungleichwertigkeit, Gewaltphantasien und der positive Bezug auf den Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielen. Garniert wird das ganze mit (antisemitischen) Verschwörungsideologien über NGOs, Parteien, einzelne Politiker_innen, die EU und was weiß ich nicht noch alles.

Thügida und die AfD

vom 07.02.2017

Bereits in vorherigen Blogeinträgen habe ich darauf hingewiesen, dass es gerade durch Uta Nürnberger (2014 Stadtratskandudatin der AfD Leipzig) Verbindungen zwischen AfD und „Wir lieben Sachsen/Thügida“ gibt. [1,2] Da Uta Nürnberger Vorstandsmitglied im „Thügida & Wir lieben Sachsen e.V.“ ist [2], lohnt es sich gerade diese Personalie näher zu betrachten.

Nürnberger trat im Oktober 2016 als Rednerin bei einer Demonstration von “Wir lieben Sachsen/Thügida” in Dresden auf und wurde als Mitglied der Patriotishcen Plattform und der AfD angekündigt. Auf der Facebookpropagandaseite “SACHSEN DEPESCHE” wurde Hans-Thomas Tillschneider damit zitiert, dass Nürnberger nicht mehr AfD-Mitglied wäre und auch nicht mehr Mitglied der Patriotischen Plattform.

Was offensichtlich die Unwahrheit sein muss, da Nürnberger am 7.12.2016 ein auf den Vortrag datiertes Schreiben über die Facebookseite von “WLS/T” veröffentlichte, in dem sie über ihren Ausschluss aus der Patriotischen Plattform informiert wurde. Als einer der Auschlussgründe wurde ihr Auftritt bei der Demo in Dresden angegeben. (Funfact: Unterzeichnet und versendet wurde das Schreiben durch Felix Koschkar, ein Kader der “Identitären Bewegung”.)

Unter einem Post des AfD-Mitglieds Arvid Samtleben diskutierte Nürnberger mit ihrem Facebookprofile “Eleonore Prochaska”, ob sie zu einer Mitgliederversammlung der AfD Sachsen fahren dürfe. Ihr wird nahelegt dies nicht zu tun, damit Frauke Petry nicht ausrastet. Da eine Nicht-Mitgliedschaft Nürnbergers nicht thematisiert wird, ist es möglich, dass Tillschneider auch in diesem Punkt log.

Zum Beleg, dass es sich bei Eleonore Prochaska um Uta Nürnberger handelt, sei hier das Facebookprofilbild von Eleonore Prochaska dokumentiert, welches Nürnberger bei verschiedenen Auftritten bei Thügida zeigt.

Doch nicht nur Nürnbergers Person belegt die Versuche von Thügida (gemeint ist hier das gesamte Konglomerat von Gruppierungen) Nähe zur AfD zu suchen. Am 11.11.2016 hielt Thügida eine Kundgebung vorm Thüringer Landtag in Erfurt ab. In seiner Rede erging sich David Köckert in Phantasien, was alles im Falle einer Diktatur passieren würde, sprich “wenn wir an der Macht sind”: Alle Politiker_innen würden inhaftiert werden, außer die AfD um Björn Höcke. [eigene Erinnerung] Außerdem bezeichnete er die AfD als den parlamentarischen Arm, während Thügida der Arm auf der Straße wäre. [3,4,5]

Am 4.2.2017 besuchten außerdem Vorstandsmitglieder des “Thügida & Wir lieben Sachsen e.V.” eine AfD-Bürgersprechstunde und posierten mit dem lokalen Kreisvorsitzenden.

Besondere Brisanz hat diese Nähe seit dem 4.2.2017 mit der Gründung der “Freiheitlich-Patriotischen Alternative” in Thüringen, ein Flügel der AfD, der sich von der “immer lahmer werdenden Patriotischen Plattform” abheben will und sich als eine Art rechtes Korrektiv zur Patriotischen Plattform sieht. Im Vorstand der FPA befinden sich unter anderem AfD-Stadtrat Norbert Mayer aus Freital und Rechtsanwalt Roland Ulbrich. [6] Roland Ulbrich trat als Redner bei Legida und zusammen mit Markus Johnke im “Legida Live Talk” auf. [7] Außerdem wird Ulbrich eine Nähe zur gescheiterten Bürgerwehr Leipzig um den Querfrontaktivisten und Reichsideologen René Mahlig nachgesagt. [8]
Die Gründung und insbesondere die Vorstandseigenschaft von Uta Nürnberger werden von Thügida als äußerst positiv wahrgenommen. Außerdem sei nur durch die FPA eine Kooperation zwischen der AfD und den Pseudobürgerinitiativen, wie Thügida möglich.

Als Reaktion auf die Gründung erklärte Arvid Samtleben seinen Austritt aus der Patriotischen Plattform. [9]
Auf der Facebookseite von Roland Ulbrich wurde ein Bild des Vorstandes gepostet und das Resultat war eine Debatte in den Kommentaren. Besonders zwei Kommentare möchte ich hervorheben: Einmal gratuliert Alt-Hool und WLS/T-Begründer Silvio Rösler zur Gründung und außerdem übt Tillschneider Kritik. Tillschneider behauptet, dass den Gründern die PP zu “identitär” und zu “ethnopluralisitisch” gewesen wäre und andererseits die Abgrenzung zu Thügida gestört hätte. Vermutlich liegt hier die Hauptursache für die Gründung der FPA: Ein kritisches Beäugen der Aktionsformen der Identitären Bewegung und gleichzeitig starke Unterstützung für die völkuisch-nationalistische Gruppierung Thügida um die Nazis Kurth und Köckert.

Auf der kürzlich stattgefundenen Mitgliederversammlung des “Thügida & Wir lieben Sachsen e.V.” hielt Uta Nürnberger ein Referat über die AfD. Die Veröffentlichung bleibt jedoch abzuwarten.

Zum Abschluss sollte noch erwähnt werden, dass Thügida das Verwenden der LTI durch Poggenburg und Höcke öffentlich unterstützt und bspw. die Soli-Unterschriftensammlung für Höcke bewarb. Weiterhin wurde das Kontaktverbot der GdP Thüringen zu Höcke, über welches der Focus berichtete geteilt.

[1] https://purecoincidence.noblogs.org/post/2018/12/08/naziconnections-der-afd-leipzig-uta-nurnberger/
[2] https://purecoincidence.noblogs.org/post/2018/12/08/wir-lieben-sachsen-thugida-ein-uberblick//
[3] https://twitter.com/henfling_m/status/797026491129282560
[4] https://linksunten.indymedia.org/de/node/196590
[5] http://sabotnik.blogsport.de/2016/11/11/11-11-um-1111-uhr-neonazistischer-karneval-in-erfurt/
[6] http://www.tagesspiegel.de/politik/hoecke-fluegel-gegen-die-afd-chefin-revolte-in-der-heimat-von-frauke-petry/19351492.html
[7] http://www.sechel.it/legida-mit-afd-support-viele-blockaden-radikale-linke-zeigt-geschlossenheit/
[8] https://nowehrle.noblogs.org/post/2016/03/03/wer-ist-der-burgerwehranwalt-eine-spurensuche/
[9] https://twitter.com/bonobubu/status/828616354655768577