Im „rechten“ Facebook – Ein Erlebnisbericht

vom 25.06.2017

Nach der US-Präsidentschaftswahl war sie ja in aller Munde: Die Filterblase auf Facebook. Nicht aus journalistischer Neugierde sondern aus aktivistischer Faulheit (und Selbstschutz) bin ich in diese Filterblase eingetaucht. Im folgenden beschreibe ich lose meine Eindrücke und Beobachtungen, ohne allerdings eine Sammlung von Belegen zu präsentieren.

Was mir zuerst auffiel: Das „rechte“ Facebook ist eine, in meinen Augen krude Mischung aus gezielter Hetze, Verschwörungen, Werbung für Kleinunternehmen, aufreizenden Darstellungen gerade noch bekleideter Frauen und Single-Börse.

Posts einer Handvoll „etablierterer Akteur_innen“ wie Pegida, die Identitären oder auch der ehemalige Blood-&-Honour-Kader und Hassunternehmer Sven Liebich werden besonders stark innerhalb dieses losen Netzwerks aus Privataccount und Gruppen weitergereicht. Auch die (nicht-nur) virtuellen Netzwerke rund um „Wir für Deutschland“ oder „Wir lieben Sachsen/Thügida“ (mittlerweile Volksbewegung [hier Bundesland einsetzen]) sind in gewissen Maße beeindruckend. Zumindest im Fall von WLS/T scheinen Aktionen hauptsächlich für den Facebooklivestream stattzufinden. Aber zurück zu den Facebookeindrücken: Neben den etablierteren Accounts, die etliche Posts am Tag bringen und damit ihre Hetze verbreiten, gibt es auch kleinere Privataccounts, die mit mehreren Hundert Facebookfreunden eine gewisse Reichweite haben und deren Hetze von außerhalb des „rechten“ Facebook kaum zu bemerken ist.

Neben plumper rassistischer Hetze, spielt nach meinem Eindruck Antisemitismus eine wichtige Rolle als ideologischer Kitt zwischen verschiedenen Strömungen innerhalb der Facebook-Manifestation der radikalen Rechten. Bemerkenswert erscheint mir an dieser Stelle, dass auch für Personen aus dem Umfeld der NPD die Identitären als eine Art Hoffnungsträger stilisiert werden. Neben dem eigenem Antisemitismus der negiert wird, wird zum Teil wenige Stunden später vor antisemitischen Muslimen gewarnt.

Neben Merkel ist wenig überraschend Maas zum Feindbild im „rechten Facebook“ geworden. Als quasi-übermächtige Helfer von Maas wird die Amadeu-Antonio-Stiftung präsentiert. Das Level der Fanatisierung (und den grad der Abhängigkeit von Facebook) zeigt sich an Personen, die sich auf die Löschung ihres Accounts einstellen und sich als werdende Märtyrer inszenieren. Um die Löschung zu umgehen, wurde in meiner Timeline ernsthaft diskutiert exzessiv Sonderzeichen und willkürlich gesetzte Leerzeichen zu verwenden, da es die automatisierte Erfassung durch die AAS unterlaufen würde. Ironischer Weise wurde der stärkste Verfechter dieser Strategie wenige Tage später temporär gesperrt. Alle Jubeljahre gibts den Aufruf sich einen Account auf dem russischen Netzwerk VK einzurichten, was tatsächlich dann wieder versandet. Dadurch, dass etliche Personen nicht mehr öffentlich posten, sondern nur noch für die Facebookfreunde einsehbar, scheinen die Hemmungen zu fallen. Gewaltdarstellungen, rassistisch motivierte Gewaltaufrufe, NS-Symbolik, wie Hakenkreuze? Alles kein Problem, zum Teil auch nicht mal für den Facebooksupport. (Die Hakenkreuze wurden allerdings gelöscht.) Die Sperrungen von Seiten hat durchaus kurzfristige Erfolge, jedoch gibt es mittlerweile die Gegenstrategie vorsorglich Backupseiten einzurichten und dann Facebookfreunde vorsorglich einzuladen. Bei Sven Liebichs Seiten lässt sich das ja auch ganz gut beobachten: Öffentliche Aufrufe Halle Leaks X+1 zu liken und bekannter zu machen.

Auch bei der Entstehung von Propagandalügen (oder wie es manchmal gern genannt wird „Fake-News“) bietet das „rechte“ Facebook Anschauungsmaterial: Ein sachlicher Medienbericht zur Einführung des Digitalrundfunk DAB+ wurde sinngemäß kommentiert, dass sich die neuen Radios bei Ansprachen von Merkel automatisch anschalten würden. Daraufhin brach sich einiges an Hass Bahn, dass man bereits in einer Diktatur lebe und es sich um die neuen Volksempfänger handeln würde. Nur im Artikel selbst, auf den sich alle bezogen und der dann als Quelle herumgereicht wurde, stand dazu rein gar nichts. Zugegeben war es eine der einfacheren Übungen. Etliche Hetzkampagnen, die auf Lügen basieren wurden bereits an anderer Stelle enttarnt (an dieser Stelle: Danke an Mimikama und Hoaxmap für die Arbeit). Eine recht beliebte Spielart scheint noch das Muster zu sein Videos von Polizeieinsätzen zu teilen und sich dann zu echauffieren, dass Merkel an allem Schuld wäre. Allerdings ist mir persönlich entgangen, dass die Landespolizeien oder die Bundespolizei in Deutschland Rückenschilder mit der Aufschrift „POLICE“ tragen.
Tatsächlich nicht überraschend, weil schon viele andere berichteten, aber dennoch eindrücklich: Verschiedene Polizeimeldungen mit vermeintlich nicht-deutschen Tätern zirkulieren, so dass sich der Eindruck zu gestiegener Unsicherheit und Kriminalität sicherlich leicht verfestigen kann.

Dass bekanntere rechte Kader auf Facebook Vorlieben für leicht bekleidete junge Frauen zeigen, ist schon bekannt. Mir persönlich war neu, dass es diverse Gruppen gibt, die letztlich nur aus Bildern bestehen, die wohl gerade so noch den Facebookrichtlinien entsprechen. In die häufig geschlossenen Gruppen wurde mein Profil schneller hinzugefügt, als ich austreten konnte. Teilweise waren es wohlmeinende „Kameraden“, die „mich“ hinzufügten. Neben den explizit auf Erotik ausgerichteten Gruppen, gibt es rechte Singlebörsen. Mit deren genauer Etikette hab ich mich allerdings weniger befasst.

Einige Accounts innerhalb des „rechten“ Facebooks sind mit verschiedenen Seiten verbunden, denen irgendeine Geschäftsidee zu Grunde liegen scheint. Neben der Werbung für eigene Produkte, gibt es Einladungen zu Veranstaltungen auf dem Firmengelände (ok, es gab nur eine und es war eine Art Gebrauchtwagenhändler) und die Seite des Unternehmens liken. Sven Liebich ist an dieser Stelle nur die Spitze des Eisbergs. Etliche andere versuchen auch ihr Einkommen innerhalb der Filterbubble aufzubessern. Hierbei handelt es sich aber so gut wie nie um Hassunternehmer, wie eben Liebich, sondern um gefestigte Rassist_innen mit einem eher „gewöhnlichem“ Gewerbe, wie Gärtner, Autohändler, Schneiderinnen oder Videoverleihern.

Zurück zu den Gruppen: Häufig werden die rechten Facebookgruppen vom Stil WfD, Legida und wie sie alle heißen, durch einige wenige Leute bespielt: Admins und Kader, die ihre (anderen) Projekte bewerben wollen. Allerdings bin ich in diesen Gruppen auch auf Profile gestoßen, die der offen faschistischen Gruppierung „Revolte auf Beton“ zugerechnet werden können (ein ausführlicherer Artikel dazu findet sich im Blog). Innerhalb der Gruppen findet häufig ziemlich offen eine Vernetzung zur Bildung von Fahrgemeinschaften statt oder die Versuche eine Bürgerwehr zu gründen. (An dieser Stelle zeigt sich ganz eindeutig, dass viele Personen geographisch einfach zu weit verstreut leben, um nach Feierabend mit ihren Facebookfreunden noch Offline-Aktionen zu starten.)

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass das „rechte“ Facebook als eine Art Durchlauferhitzer fungiert, in dem neben allen Bizarrheiten wie exzessive Sonderzeichenverwendung und Singlebörsen klar Ideologien der Ungleichwertigkeit, Gewaltphantasien und der positive Bezug auf den Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielen. Garniert wird das ganze mit (antisemitischen) Verschwörungsideologien über NGOs, Parteien, einzelne Politiker_innen, die EU und was weiß ich nicht noch alles.